Montag, 5.12.2022: Angesichts der Untätigkeit des Gesetzgebers hat bekanntlich zwischenzeitlich das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass Arbeitgeber aufgrund der Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes verpflichtet sind, die Arbeitszeiten der Mitarbeitenden zu erfassen (siehe auch unseren Newsletter vom 14.09.2022). Nun hat das Bundesarbeitsgericht auch seine Entscheidungsgründe veröffentlicht.
Das Bundesarbeitsgericht leitet aus der Rahmenvorschrift des § 3 ArbSchG, wonach Arbeitgeber verpflichtet sind, „die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes insbesondere zur Wahrung der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit“ zu schaffen, im Wege eines unionsrechtskonformen Verständnisses der Vorschrift eine Verpflichtung für Arbeitgeber ab, „…ein System zur Erfassung der von ihren Arbeitnehmern geleisteten täglichen Arbeitszeit einzuführen, das Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden umfasst.“ (BAG Beschluss vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21).
Es geht darum, die gesetzlich vorgesehene Höchstarbeitszeit und die Ruhezeiten sicherzustellen, sodass die Arbeitszeiterfassung letztlich wohl auch Pausen umfassen muss.
Immerhin stellt das Bundesarbeitsgericht klar, dass (wie auch in der Arbeitszeit-Richtlinie vorgesehen) Sonderregelungen für bestimmte Arbeitnehmergruppen möglich sind. Nachdem die Verpflichtung zur Einführung eines Zeiterfassungssystems jedoch nicht aus dem Arbeitszeitgesetz abgeleitet wird, welches beispielsweise Ausnahmen für leitende Angestellte vorsieht, ist ein Handeln des Gesetzgebers erforderlich. Die im Arbeitsschutzgesetz bereits bislang vorgesehenen Ausnahmen greifen nicht, sodass derzeit tatsächlich für alle Beschäftigten eine Aufzeichnungspflicht besteht. Das Bundesarbeitsgericht stellt ebenfalls klar, dass dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum hinsichtlich des „Wie“ der Arbeitszeiterfassung zusteht, von dem dieser bislang allerdings keinen Gebrauch gemacht habe.
Es bleibt nun also zu hoffen, dass der Gesetzgeber alsbald tätig wird und klare Regelungen schafft, sowie insbesondere entsprechende Ausnahmen für Vertrauensarbeitszeit gesetzlich verankert. Solange dies nicht der Fall ist, muss derzeit von einer vollumfänglichen Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung ausgegangen werden.
Diese Verpflichtung umfasst auch nicht nur das Bereitstellen eines Systems zur Arbeitszeiterfassung, sondern auch dessen tatsächliche Nutzung. Der Arbeitgeber muss also dafür Sorge tragen, dass er zum einen ein System zur Verfügung stellt, das es ermöglicht, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie Überstunden zu erfassen und darüber hinaus auch sicherstellen, dass das System auch verwendet wird. Die Arbeitszeiten müssen erfasst und aufgezeichnet werden, um überprüfen zu können, ob die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden.
Dass die Arbeitszeit zwingend elektronisch zu erfassen ist, geht aus der Entscheidung nicht hervor. Auch eine händische Arbeitszeiterfassung in Papierform ist zulässig, solange aus ihr verlässlich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie Überstunden hervorgehen.